Weinkeller

Peter Keller

Die Leichtigkeit des Weins

Diesen Sommer trinken wir gekühlten Rotwein

Peter Keller Weinkeller
Wer sagt denn, Rotwein passe nicht zum sommerlichen Mittagessen? (Bild: Rowena Naylor / Stocksy United)

Wer sagt denn, Rotwein passe nicht zum sommerlichen Mittagessen? (Bild: Rowena Naylor / Stocksy United)

Vergessen wir diesen Sommer für einmal den Rosé. Mindestens so viel Genuss versprechen leichte Rotweine, die auch gekühlt getrunken werden können und deren Alkoholgehalt auch nicht gleich nach Siesta ruft.

Die portugiesische Winzerin Filipa Pato aus dem Anbaugebiet Bairrada meint: «Ich keltere Weine zum Trinken und nicht zum Verkosten.» Eigentlich ein selbstverständliches Statement, ist es aber freilich nicht. Heute werden viele Gewächse so vinifiziert, dass sie bei Degustationen obenaus schwingen: vollmundig, kraftvoll, restsüss selbst bei Roten (!), hoher Alkoholgehalt.

Logisch: Ein Wein aus südlichen Anbaugebieten hat wegen der natürlichen Gegebenheiten und warmen Temperaturen bald einmal 13,5% oder (viel) mehr. Es wäre weltfremd, bei einem kraftvollen Châteauneuf-du-Pape, einem konzentrierten Ribera del Duero oder einem feurigen Sizilianer tiefere Werte zu erwarten.

Filigran und leichtfüssig

Doch es gibt sie, die filigranen, leichtfüssigen Rotweine mit wenig Alkohol, die wir auch gut im Sommer geniessen können. Ohne dass es ihnen an Struktur, Tiefe, Länge und perfekter Balance fehlt. Sie stammen in der Regel aus sogenannten Cool-Climate-Regionen, die gerade einen grossen Hype erleben.

Obwohl die Trauben in klimatisch kühleren Gebieten wachsen, braucht es deren vollständige Reife, damit ausgeglichene Weine produziert werden können. Sie zeichnen sich durch vielleicht etwas gewöhnungsbedürftigere Eigenschaften aus: kühle Aromatik, Saftigkeit, prägnante Säure, Tiefe und Länge trotz tiefem Alkoholgehalt, aber bei vollständiger Vergärung des Zuckers.

Die oft etwas kühler getrunkenen Weine wirken in ihrem Charakter trinkanimierend und passen zu den warmen Tagen. Wir haben uns auf die Suche nach solchen Crus mit höchstens 12,5% Alkohol gemacht und sie auch gefunden.

Kein «Make-up»

Zum Beispiel die Weine der eingangs erwähnten Filipa Pato. Der Alkoholgehalt ihrer einzigartigen Roten liegt nie über 12,5%. Aushängeschild ihres önologischen Schaffens ist der aus der einheimischen Rebsorte Baga gekelterte und in Holzfässern gereifte Nossa Calcario tinto.

Nossa Calcario tinto 2017, Filipa Pato: Topwein mit vielschichtigem, eher kühlem Bouquet, dunkle Früchte, Kräuter, Gewürze, mittelschwer, sehr frisch, elegant, feine Tannine, straff, langer Nachhall mit mineralischen Anklängen, 45 Franken; vinothek-brancaia.ch. (Bild: PD)

Nossa Calcario tinto 2017, Filipa Pato: Topwein mit vielschichtigem, eher kühlem Bouquet, dunkle Früchte, Kräuter, Gewürze, mittelschwer, sehr frisch, elegant, feine Tannine, straff, langer Nachhall mit mineralischen Anklängen, 45 Franken; vinothek-brancaia.ch. (Bild: PD)

Ein nobler, kompakter Spitzenwein mit feinen Gerbstoffen, umwerfender Eleganz, Tiefgründigkeit und einer perfekten Ausgewogenheit. Nichts von Schwere, keine störenden Holztöne und Überextraktion, kein «Make-up», sondern reiner Trinkfluss und phantastisch zu Geflügel oder Kalbssteak an einem lauen Abend auf der Terrasse oder im Garten.

Sommerliches Sein

Auch in anderen europäischen Anbaugebieten lassen sich leichte, aber nicht banale Rotweine mit tiefem Alkoholwert finden, mit denen die Leichtigkeit des sommerlichen Seins zelebriert werden kann. Dies zeigen drei weitere Beispiele.

Eine hierzulande völlig verkannte Region ist das französische Savoyen, das vorwiegend durch ein kühles Klima geprägt ist, namentlich in den Tälern. Frost bildet daher eine stete Gefahr für die Reben. Im Gebiet sind viele Sorten und unzählige Weine mit verwirrend vielen Ursprungsbezeichnungen zu finden. Zur Spitze zählt die Domaine des Ardoisières, die mit dem Argile Rouge 2019 einen faszinierenden, «kühlen» Rotwein mit 11,5% (!) erzeugt. Die ungewöhnliche Entdeckung besteht aus Gamay sowie den beiden wenig geläufigen Trauben Mondeuse und Persan.

Argile Rouge 2019, Domaine des Ardoisières: Rubinrote Farbe, vielschichtiger Duft von roten Beeren, Veilchen und dezent-würzigen Anklängen, leicht, saftig, elegant, mineralisch, unglaublich frisch, langanhaltend, 29 Franken; gerstl.ch. (Bild: PD)

Argile Rouge 2019, Domaine des Ardoisières: Rubinrote Farbe, vielschichtiger Duft von roten Beeren, Veilchen und dezent-würzigen Anklängen, leicht, saftig, elegant, mineralisch, unglaublich frisch, langanhaltend, 29 Franken; gerstl.ch. (Bild: PD)

Mit wilden Hefen

Eine charaktervolle und durchaus bekannte Sorte ist der Blaufränkisch, der in Österreich zur Hochform aufläuft. Das burgenländische Gut von Andreas Gsellmann produziert den dichten Blaufränkisch Astral 2020. Der Alkoholgehalt ist mit 12,5% bescheiden. Trotzdem mangelt es dem «trinkigen» Biowein an nichts.

Blaufränkisch Astral 2020, Weingut Andreas Gsellmann: Intensives Violett, schöne Aromatik von schwarzen Kirschen und würzigen Kräuternoten, dicht, fein, feine Gerbstoffe, strukturiert, schöne Länge, mit viel Trinkfluss, 29 Franken; suedhang.com. (Bild: PD)

Blaufränkisch Astral 2020, Weingut Andreas Gsellmann: Intensives Violett, schöne Aromatik von schwarzen Kirschen und würzigen Kräuternoten, dicht, fein, feine Gerbstoffe, strukturiert, schöne Länge, mit viel Trinkfluss, 29 Franken; suedhang.com. (Bild: PD)

Er wird spontan mit wilden Hefen vergoren und nachher während 15 Monaten im Holzgärständer sowie gebrauchten Eichenholzfässern von 500 Litern ausgebaut. Der geradlinige Blaufränkisch bietet ein süffiges Genussvergnügen der gehobenen Art, der zu feinen Grilladen serviert werden kann.

Innere Spannung

Man muss indessen nicht immer über die Grenzen blicken, um auf lohnensund trinkenswerte Leichtgewichte zu treffen. Auch hierzulande wird man fündig. Eines der besten Weingüter der Deutschschweiz ist Besson-Strasser aus Uhwiesen ZH, das seit Jahren konsequent auf handwerklich erzeugte Weine aus biologisch-dynamischen Trauben setzt.

Pinot noir Cholfirst 2019, Weingut Besson-Strasser: Helles Rubinrot, schöne Fruchtnoten von roten Beeren, würzige Anklänge, frisch, schlank, finessenreich, animierend, ausgewogen, mittellanger Nachhall, sehr «trinkig», 24 Franken; wein.ch. (Bild: PD)

Pinot noir Cholfirst 2019, Weingut Besson-Strasser: Helles Rubinrot, schöne Fruchtnoten von roten Beeren, würzige Anklänge, frisch, schlank, finessenreich, animierend, ausgewogen, mittellanger Nachhall, sehr «trinkig», 24 Franken; wein.ch. (Bild: PD)

Sie überzeugen durch eine innere Spannung, Ausdruckskraft und Eigenständigkeit, sind nie opulent, breit, sondern puristisch-geradlinig, wie der Pinot noir Cholfirst 2019 beweist. Der Rotwein punktet mit lediglich 12,5% Alkohol. Man geniesst ihn idealerweise unter einem schattigen Baum oder am Pool-Rand zu einer kalten Fleisch- oder Käseplatte.